Kategorien
Urteile

Keine taggenaue Berechnung Schmerzensgeld

Bundesgerichtshof Urteil vom 15. Februar 2022 – VI ZR 937/20

Der Bundesgerichtshof hat am 15.02.2022 entschieden, dass man Schmerzensgeld nicht taggenau berechnen könne. Solche Berechnungen würden den Besonderheiten des Einzelfalls nicht hinreichend Rechnung tragen.

Im zugrundeliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht den Schaden anhand eines Durchschnittseinkommens und je Tag der Behandlung im Krankenhaus berechnet. Es setzte diesen für Behandlungsstufen auf 150 € (Intensivstation), 100 € (Normalstation), 60 € (stationäre Reha) und 40 € bei 100 % Grad der Schädigungsfolgen an.

Dieser rechnerischen Ermittlung hat der Bundesgerichtshof nunmehr einen Riegel vorgeschoben. Die ist in dieser Form unzulässig.

Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt.

Diesen Grundsätzen wird die vom Berufungsgericht vorgenommene „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgeldes nicht gerecht. Die schematische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normalstation eines Krankenhauses verbracht hat und die er nach seiner Lebenserwartung mit der dauerhaften Einschränkung voraussichtlich noch wird leben müssen, lässt wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht. So bleibt unbeachtet, welche Verletzungen der Kläger erlitten hat, wie die Verletzungen behandelt wurden und welches individuelle Leid bei ihm ausgelöst wurde. Gleiches gilt für die Einschränkungen in seiner zukünftigen individuellen Lebensführung. Auch die Anknüpfung an die statistische Größe des durchschnittlichen Einkommens trägt der notwendigen Orientierung an der gerade individuell zu ermittelnden Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten nicht hinreichend Rechnung. Das Berufungsgericht wird daher erneut über die Höhe des Schmerzensgeldes zu befinden haben.

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs

Diese Entscheidung kann auch bei familiengerichtlichen Schadensersatzansprüchen relevant sein. Zwar wurden in den auch hier veröffentlichten Entscheidungen eine solche Berechnung bisher nicht vorgenommen. Ich selber präferiere diese aber.

Steht daher meine Rechtsmeinung im Widerspruch zum BGH? Nein. Denn die Trennung vom Kind ist eher einer Form von Inhaftierung zu vergleichen, gleich ob man ein- oder ausgesperrt ist. Haftentschädigungen werden auch per Dauer und in Tagessätzen bemessen.

Zudem wird hier das individuelle Leid durch die immer selben Konstellationen vergleichbar, anders als bei Unfällen und unklaren Heilungsverläufen.

Letzt sind es bei allen dieselben Grundrechte und Bindungen, die Betroffen sind, so dass Vergleichbarkeit besteht. Taggenaue Berechnung Schmerzensgeld bleibt dann möglich.

Trotzdem sollte man diese Entscheidung kennen, falls man Schmerzensgeld hochrechnet.

Quellen:

Pressemitteilung

Urteil

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert